Ich bin in einer Metallbauschlosserei aufgewachsen und finde es seit Jahren ziemlich dilettantisch: Immer dann, wenn schöngeistige Journalisten so tun als hätten sie eine Ahnung und äussert schöngeistig über Japanmesser aus Damaszener- oder Damaststahl schreiben, kriecht mir das nackte Grauen den Rücken hoch. Was schreiben die sonst noch über Politik und Krieg und so, wenn sie es noch nicht einmal schaffen, auf Wikipedia nachzulesen, dass Damast-/Damaszenerstahl aus Damaskus kommt? Und was zum Teufel hatte Damaskus mit Japan zu tun? Nichts.

Damaszenerstahl ist zuerst einmal Tiegelstahl (wird als Wootz bezeichnet). In einem Schmelztiegel wurde Eisen mit Kohlenstoff verbunden. Sowohl der Ablauf der Herstellung als auch die Zutaten sind bis heute nicht genau bekannt. Sicher ist, dass dieser Tiegelstahl bis vor zirka 200 Jahren in Europa importiert wurde, weil man hier diese Art der Herstellung (noch) nicht kannte. Die Legende besagt, dass ein Seidentuch, das über die Schneide eines Damaszenerschwertes aus eben diesem kunstvoll geschmiedeten Damaszenerstahl schwebt, sich von selbst zerteilt.

Woher diese Schärfe kam (und ob sie überhaupt existierte) ist bis heute ebenfalls nicht geklärt. Es gibt Behauptungen, nach denen das Erz für die Eisengewinnung mit Meteoriten versetzt war. Es gibt Behauptungen, dass es die Schmiedekunst war. Und es gibt wiederum Behauptungen, dass es die Herstellung des Tiegelstahls war. Wahrscheinlich ist, dass das Zusammenspiel zwischen dem einzigartigen Tiegelstahl (vielleicht sogar mit der Zutat Meteorit) und der exzellenten Schmiedekunst so unglaubliche Schwerter hervorbrachte.

Daraus entstand die Aussage, dass Damaszenerstahl dem europäischen Schwertstahl überlegen gewesen sei. Dieses Märchen ist historisch und archäologisch deutlich widerlegt, auch der Damaszenerstahl unterlag gewaltigen Qualitätsschwankungen. Ausserdem handelte es sich schlicht und einfach um andere Herstellungsarten: raffinieren oder legieren.

 

Stark vereinfacht und unvollständig -  dafür übersichtlich drei Arten von Waffenstahl:

Orient: Schmelzen und Legieren in einem Tiegel = Wootz / Tiegelstahl = Ausgangslage für arabischen Damaszenerstahl = wiederholtes Schmieden, Falten, Feuerschweissen, anschliessend Formen und Härten = Orientalische Klingen.

Europa: Verhüttung im Rennofen = Luppe / Roheisen = Raffinieren (Reinigen) durch Ausschmieden bis zum Rein- oder Weicheisen = Aufkohlen (versetzen mit Kohlenstoff in der Waffenschmiede), anschliessend wiederholtes Schmieden, Falten, Feuerschweissen, Formen und Härten = Europäische Klingen.

Japan: Verhüttung im Tatara (Entspricht dem Europäischen Rennofen) = Tamahagane (entspricht zwar der europäischen Luppe ist jedoch durch das Schmelzen mit Holzkohle schon viel stärker mit Kohlenstoff versetzt und damit näher am Stahl. Trotzdem ist es sehr unrein und der Kohlenstoff ist ungleichmässig verteilt) = Der Schmied schlägt Tamahagane in kleine Stücke, sucht passende Stücke für ein Schwert zusammen und schmiedet diese zu einem Block. Der Block wird solange ausgeschmiedet und feuergeschweisst, bis die Schlacke herausgeschmiedet und ein homogener, reiner Stahl entstanden ist. Jetzt kommt es: Der japanische Schmied fertigt zwei Stahlblöcke, einer davon, der weiche, wird als Kern der Klinge benutzt und bildet die Flexibilität der Schwerklinge. Der weiche Kern wird vom zweitem Block, dem harten Stahl, ummantelt und bildet die extreme Härte und Schneidefähigkeit von sogenannten Samuraischwertern. Die optischen Strukturen an den Klingen rühren vom Härten her, welches einem speziellen Verfahren unterliegt.

 

Und zum Schluss ein bisschen Desillusionierung:

Bei allen diesen Herstellungsarten handelt es sich um feuergeschweissten Verbundstahl. Ob man die Musterung erkennt oder nicht, hängt davon ab, wie die Zementit-Teilchen zwischen den einzelnen Schichten erhalten und verteilt sind. (Zementit-Teilchen - kristalline Teilchen die beim Erhitzen, Schmieden und Abkühlen entstehen, aber das ist wieder eine andere Geschichte). Durch Polieren und Verätzen der Oberfläche werden dann die durch Zementit-Teilchen getrennten Schichten mehr oder weniger sichtbar.

So, und jetzt für alle Ahnungslosen, die diese gemusterten japanischen Messer als Damaszenerstahl hochjubeln und sagenhafte Preise bezahlen...... alle diese gefalteten Verbund-Stähle für besagte teure Messer, die in den Vitrinen der Detailhändler zu bewundern sind, werden in etwa noch drei schwedischen Stahlhütten hergestellt. Das ist sozusagen Convenience der Messerschmiede. Es gibt nämlich nur noch eine Handvoll Schmiede, die tatsächlich selbst Verbundstahl herstellen können. Deren Messer sind in keinem Laden zu finden.